Gerichtsprozess

Die Bukowinaer Rundschau schreibt am 14. Februar 1884:
(Studentenproceß.) Dienstag den 12. d. M. hat die Verhandlung wider stud. jur. Hermann Bahr und Genossen ihren Abschluß gefunden. Die Staatsanwaltschaft ist von ihrer Anklage gegen Hermann Bahr, Erwin Zieglauer, Franz Zierhofer und Adolf Kramer wegen Übertretung der Sachbeschädigung [!] und Einschlagen einer Fensterscheibe bei Hr. Schulrath Wolf zurückgetreten und es blieb noch die Anklage wegen Übertretung des Trunkenheitsgesetzes übrig. Die Vertheidiger bemühten sich mit Erfolg diese Anklagen zu bekämpfen, denn thatsächlich kam nicht der mindeste Anhaltspunkt vor, Einen oder den Anderen der Angeklagten dieser Übertretung zu beschuldigen, da die meisten der einvernommenen Zeugen es bestätigten, daß die genannten Studirenden wohl etwas angeheitert waren, aber keineswegs offentliches Ärgerniß erregten. Ein solcher Zustand, welcher wohl bei jedem Gasthausbesucher in höherem oder geringerem Maße vorkommt, könne unmöglich unter die Sanktion des Gesetzes vom 19. Juli 1877 fallen, da die Tendenz desselben auf die Hintanhaltung der Trunkenheit gerichtet ist, während von einer Trunkenheit bei den angeklagten Studirenden überhaupt nicht die Rede sein könne. In später Abendstunde verkündigte der Richter Dr. Salter das Urtheil, wornach [!] Hermann Bahr und Josef Sauerquell wegen Wachebeleidigung zu einer Geldstrafe von 25 fl. und Adolf Wechsler wegen Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 15 fl. verhalten wurde. Nebstdem wurde beschlossen, den Akt dem Magistrate als politischer Behörde abzutreten, welche nach dem Gesetze dazu berufen ist, über das angeblich ungestüme Benehmen des Josef Sauerquell abzuurtheilen. Adolf Wechsler meldete gegen das Urtheil die Berufung an, die Herren Bahr und Sauerquell behielten sich das Recht hiezu vor.
Die Ausgabe vom 10. Februar ist nicht in der Österreichischen Nationalbibliothek aufbewahrt, aber als Schnippsel im Nachlass aufbewahrt. Die zusätzlichen Details: Die Fensterscheibe wurde in der Nacht vom 26. auf den 27. Oktober eingeworfen, der Schulmann hat es aber erst später gemerkt und zur Anzeige gebracht. Zusätzlich wird Bahr in einer Zivilklage vorgeworfen, im Cafe Wien einen Herrn Ausc. Donigewicz beleidigt zu haben. Bahr entschuldigt sich in aller Öffentlichkeit und gibt an, den Kläger nicht persönlich gekannt zu haben, weswegen diese Klage mit Einwilligung des Klägers übergangen wird. (Im Selbstbildnis erzählt Bahr diese Anekdote mit dem Staatsanwalt etwas anders). Am 18. Mai berichtet dasselbe Blatt, dass die Berufungsverhandlung von Sauerquell und Wechsler zu ihren Gunsten mit Freisprüchen abgeschlossen wurde.
Literatur
Bukowinaer Rundschau, 1884 #190, 4-5. (14.2.1884)
Selbstbildnis, 163
Datum
Ereignistyp