Expressionismus (1916)

Einleitung

Mit dem Buch „Expressionismus“ stellt sich Hermann Bahr 1916 als einer der Ersten kompromisslos auf die Seite der jungen, neuen Malerei. Bahr geht es jedoch nicht nur um die Beschreibung eines künstlerischen Stils. Der Expressionismus ist ihm Ausdruck einer neuen Wahrnehmungsform; „notwendig“ nicht nur hinsichtlich der Kunst-, sondern auch der kulturellen Entwicklung. Bahr begnügt sich demnach nicht mit einer Darstellung der rezenten Kunst und Kunstwissenschaft, sondern sucht die Wurzeln und Wirkungen des Expressionismus in der Wissenschaft der Wahrnehmung, in der Anthropologie, der Soziologie und der Philosophie. Schließlich sei der Expressionismus nichts Geringeres als der Ausdruck einer neuen „Beziehung des Menschen zur Welt“.

Bibliografie

Autor:Hermann Bahr
Titel:Expressionismus
Mit 19 Tafeln in Kupferdruck
Ort:München
Verlag:Delphin
Jahr:1916
Seiten:170
Aufl.:zur 1. Aufl. 60 numerierte Expemplare auf Bütten 2. Aufl. 1918 3. Aufl. 1919 11.-18. Tsd. 1920 25. Tsd. 1920
Übers.:Englisch: Expressionism. Translated by R. T. Gribble. London: F. Henderson 1925 (Reprint 1978) Italienisch: Espressionismo. Introduzione di Mario De Micheli. Traduzione di Bruno Maffi. Milano: Bompiani 1945. Spanisch: Expresionismo. Presentación de Francisco Jarauta. Traducción de Teresa Rocha Barco. Murcia: Colegio Oficial de Aparejadores y Arquitectos Técnicos de Murcia 1998 Kroatische Auswahl: "Wer ist Riegl?" und "Das Auge des Geistes" (Duhovno oko) übersetzt von Svjetlan Vidulíc in: Tréci program Hrvatskog radija 41 (1993), 121-126. Chinesisch: 表现主义 /. Biao xian zhu yi. Übers. Fei Xu. Beijing: Sheng huo, du shu, xin zhi san lian shu dian 1989.
Anm.:Umschlagzeichnung von F. A. Ehmcke. Widmung, S. 5: "Alfred Roller in herzlicher Verehrung. Salzburg, Himmelfahrt 1914". Am 24. Mai 1916 erhält Redlich ein Exemplar, was die Druckausgabe ungefähr datieren lässt (Bahr/Redlich, 173). In späteren Auflagen wurden Bilder ausgetauscht.

Kritische Schriften

Band 14
Herausgegeben von Gottfried Schnödl Erschienen 2010 ISBN: 978-3-89739-655-5 VDG Weimar

Erstdrucke

"Expressionismus" stellt nicht nur mit seinem titelgebenden Anschluss an frühere -ismen wie 'Impressionismus' und 'Symbolismus', die Bahrs Ruhm gefestigt hatten, ein bedeutender Punkt in Bahrs Werk da. Es handelt sich auch um den letzten kritischen Höhepunkt. Doch obwohl das Schreiben über eine neue Kunstströmung für Bahr also eine gelernte und oft erprobte Technik darstellt, formuliert das Buch auch einen Wandel. Der zeigt sich, wenn Bahr einerseits versucht, die Texte mit kleinen Zwischenstücken in ein Gesamtbild zu verbinden, andererseits im Eröffnungstext eine selbstreflexive Betrachtung der Werkentstehung anbietet. Die neugeübte Distanz zum eigenen Schaffen mag Bahr aus dem Abstand zwischen der Entstehung der Texte 1913/1914 und dem Erscheinen der Buchausgabe 1916 herrühren, oder den Bruch zwischen seiner katholischen "Wiedergeburt" und den früheren Kunsttexten verdeutlichen.
SeitenTitel / Erstdruck
7-21Trost in Goethe.
21-28Geschmack.
Berliner Tageblatt, 42 (1913) #631, Ausgabe für Berlin und Umgegend, Abend-Ausgabe, 1. (12.12.1913)
Das Bild. Monatsschrift für photographische Bildkunst, 10 (1914) #1 (April), 7-9.
28-29Was empört sich?
30-41Schwindler.
Berliner Tageblatt, 43 (1914) #111, Ausgabe für Berlin und Umgegend, Abend-Ausgabe, 1-2. (2.3.1914)
42-44Replik.
44-53Dunkle Rede.
Berliner Tageblatt, 43 (1914) #240, Berliner Tageblatt, 43 (1914) #240, Ausgabe für Berlin und Umgegend, Morgen-Ausgabe, 2-3. (13.5.1914)
54-56Beispiellos.
Als "Expressionismus" in: Masken. Zeitschrift für deutsche Theaterkultur, 12 (1916) #1, 9-14, hier: 9-10.
56-75Sehen.
Als "Sehen!" in: Berliner Tageblatt, 42 (1913) #647, Morgen-Ausgabe für Berlin und Umgegend, 1. Beiblatt, 1-3. (21.12.1913)
75-82Wer ist Riegl?
Als "Riegl, nicht Riehl" in: Berliner Tageblatt, 43 (1914) #11, Ausgabe für Berlin und Umgegend, Abend-Ausgabe, 1-2. (7.1.1914)
83-104Das Auge des Geistes.
Neue Freie Presse (1914) #1773, Morgenausgabe, 1-3. (17.2.1914)
Ausschnitt als: "Expressionismus" in: Masken. Zeitschrift für deutsche Theaterkultur, 12 (1916) #1, 9-14, hier: 10-11.
104-117Augenmusik.
Geändert: Ostsee-Zeitung Stettin, (1914) (28.5.1914) Geändert: Prager Tagblatt, 39 (1914) #148, Morgen-Ausgabe, 11-12. (31.5.1914)
117-121Zwischenrede.
122-132Expressionismus.
Als "Expressionismus und Goethe" in: Die neue Rundschau, 25 (1914) #2, 913-926.
Gekürzt als "Expressionismus" in: Masken. Zeitschrift für deutsche Theaterkultur, 12 (1916) #1, 9-14.
Die Schaubühne, 12/I (1916) #24, 570-574. (15.6.1916)
133-162Der ganze Goethe.
Als "Expressionismus und Goethe. 2" in: Die neue Rundschau, 25 (1914) #2, 916-926.
Um Goethe, 72-90

Rezensionen

Im Archiv viele erhalten. Kölnische Volkszeitung, 30.5.1916, nachgedruckt im Dt. Merkur, (1916) #13, 100-101. Zusammen mit Max Picard: Ende des Impressionismus in: Masken. Zeitschrift für deutsche Theaterkultur, 12 (1916) #1, 9-14. G.: Hermann Bahr: Expressionismus; Max Picard: Ende des Impressionismus. In: Das neue Deutschland, 5 (1916/17) #4, 109-110. (15.11.1916) Adolf Behne in: Die Aktion, 6 (1916) #33/34, 473-476. (19.8.1916) Felix Stössinger: Hermann Bahr: Expressionismus, Delphin-Verlag München. In: Berliner Börsen-Courier, 48 (1916) #401, Morgen-Ausgabe, Bücherschau, 8. (27.8.1916) Hubert Rausse: Anmerkungen eines Frontsoldaten zu Bahrs „Expressionismus“. In: Die Propyläen, 14 (1916/17) #52. (28.9.1917) Karl Scheffler: Neue Bücher. In: Kunst und Künstler, 15 (1917), 145-147. Emil Utitz in: Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft, 12 (1917), 241-242. Karl Goldfeld in: Allgemeine Künstler-Zeitung, 8 (1919) #70. Im Times Literary Supplement, 21.5.1925, 346 findet sich eine Anzeige für die englische Übersetzung, am 3.9.1925 (S. 564) eine Rezension.

Inhaltsverzeichnis

SeitenInhalt
7-21Trost in Goethe.
21-28Geschmack.
28-29Was empört sich?
30-41Schwindler.
42-44Replik.
44-53Dunkle Rede.
54-56Beispiellos.
56-75Sehen.
75-82Wer ist Riegl?
83-104Das Auge des Geistes.
104-117Augenmusik.
117-121Zwischenrede.
122-132Expressionismus.
133-162Der ganze Goethe.

Kommentiertes Inhaltsverzeichnis

Trost in Goethe
Der Expressionismus scheint für Bahr nicht einfach ein Thema unter vielen zu sein. Um sich ihm nähern zu können, muss zunächst die eigene Herangehensweise reflektiert werden. Aus "Trost in Goethe" können so nicht nur Rückschlüsse auf die Entstehung des Buches, sondern auch auf die methodischen Probleme gezogen werden, denen sich Bahr im Zuge dieser gegenübersieht.
Geschmack
Die Bewertung von Kunst kann sich in der Moderne weder an rationale Argumente noch auf einen gleichsam angeborenen Geschmack gründen. Was gefällt, tut dies weil es an etwas anderes erinnert, was dem Betrachter in der Vergangenheit als großes Kunstwerk präsentiert wurde. Bahr zufolge ist diese Struktur mittlerweile so eingeschliffen, dass sich der Gebildete für ein Kunstwerk gerade dann interessiert, wenn es ihm nicht gefällt: denn dann muss es neu, modern und sehr bald auch anerkannt sein.
Was empört sich?
Wenn es aber Geschmack nicht gibt, "was empört sich" dann gegen den Expressionismus? Bahr meint, es handle sich um eine moralische Empörung.
Schwindler
Die Kritik am Expressionismus ist Bahr zufolge v. a. moralisch kodiert, insofern sie den Künstlern Schwindel vorwirft; diese würden gar nicht so wahrnehmen und denken, wie sie malten.
Replik
Bahr meint zunächst, die Un- bzw. Schwerverständlichkeit der expressionistischen Malerei und v. a. ihrer Theorie sei kein Fehler dieser Kunstrichtung, sondern ein Merkmal der Zeit.
Dunkle Rede
Darüber hinaus erklärt sich Bahr diese Schwerverständlichkeit als einen rhetorischen Trick, der bestimmte Ideen stärker hervortreten lässt. (Hier ließe sich eine Verbindung zu Bahrs Reflexionen über das eigene Schreiben in dem Eingangskapitel "Trost in Goethe" ziehen.)
Beispiellos
Dass der Expressionismus kein Vorbild in der Vergangenheit hat, also "beispiellos" ist, gilt Bahr als besonders wichtiges Merkmal.
Sehen
Der Expressionismus sei nicht nur eine neue Kunst-, sondern eine neue Wahrnehmungsform. Bahr erklärt diesen Umstand u. a. unter Rückgriff auf Goethes Farbentheorie.
Wer ist Riegl?
Bahr referiert die Kunsttheorie Alois Riegls…
Das Auge des Geistes
…und die Konzepte des "inneren Sehens" von Francis Galton, um sie auf den Expressionismus zu beziehen.
Augenmusik
Die Existenz dieses "inneren Sehens", das expressionistische Malerei erst ermöglichte, versucht Bahr mit einem Rückgriff auf den Physiologen Johannes Müller evident zu machen.
Zwischenrede
Das "innere Sehen" bedeute, dass die Einbildungskraft produktiv wirken könne, dass also etwas zur Anschauung (und in Folge dessen auf die Leinwand) kommen könne, was nicht schon in der Erfahrung enthalten ist. Bahr bezieht sich noch einmal auf Müller und Goethe.
Expressionismus
Vor diesem Hintergrund versucht Bahr den Expressionismus historisch einzuordnen und setzt ihn dabei besonders gegen den Impressionismus ab.
Der ganze Goethe
Noch einmal referiert Bahr ausführlich Goethe. Nicht nur, so könnte man mit Blick auf das erste Kapitel des Buches sagen, um seine Gedanken zum Expressionismus bestätigt bzw. "vorgeformt" zu sehen, sondern auch, um deren Darstellung als eine auszuweisen, die dem Thema entspricht.

Digitalisate

Neusatz: Kritische Schriften in Einzelausgaben Faksimile der Erstausgabe: Archive.org: 3. Auflage